Der weite Weg in die Stille

Der 49-jährige Frater Aemilian Wentzel ging einen langen Weg bis zu seinem Ziel: Der Benediktinermönch hat am Sonntag, 15. Juli 2018, dem Hochfest des Heiligen Benedikt, in der Klosterkirche von Marienberg seine feierliche Profess abgelegt und sich damit für immer der Mönchsgemeinschaft von Marienberg angeschlossen. Frater Aemilian trat im Januar 2012 ins Kloster ein und begann im September desselben Jahres mit dem Noviziat. Frater Aemilian kommt aus Premnitz im Landkreis Havelland in der ehemaligen DDR.. Die Kindheit des 1968 Geborenen war nicht leicht. Seine Eltern hatten sich 1970 scheiden lassen, seinen Vater kennt er nicht. Die alleinerziehende Mutter war Chemielaborantin und musste viel arbeiten. Sie starb mit nur 69 Jahren. Ralf – so heißt Frater Aemilian mit bürgerlichem Namen – war kein begeisterter Schüler. Trotzdem hat er die 10jährige Schule mit der mittleren Reife erfolgreich abgeschlossen. Es wären noch zwei Jahre bis zum Abitur gewesen. Für Ralf damals deshalb schwierig, weil er in der religionsfeindlichen DDR als evangelischer Christ keine Chance hatte. „Der sozialistische Weg mit Jugendweihe und dieses Tam-Tam kam für mich nicht in Frage“, erzählt Ralf. Mit vierzehn lermte Ralf kurz nach seiner Konfirmation eine katholische Schülerin aus der Parallelklasse kennen. Diese hatte ihn in die katholische Kirche zu einer Rosenkranzandacht mitgenommen. „Meine ersten Gedanken waren: Was wiederholen die da eigentlich? Ich fand das ganz befremdlich.“ Das war der erste Kontakt mit der katholischen Kirche. Dann entschloss er sich, das Christsein wirklich zu praktizieren und besuchte einen zweijährigen Kovertitenunterricht. Der katholische Pfarrer schenkte ihm ein Büchlein mit dem Titel „Christen, die anders leben“. Darin waren alle Männer und Frauenorden in der DDR aufgezählt. Er versuchte, sich ein Bild zu machen über Menschen, die das Christentum so richtig leben. „Ich habe eine solche Lebensform fast unheimlich und spannend im Kopf gehabt.“ Im November 1985 betrat er dann zum ersten Mal ein Kloster Er besuchte das Benediktinerkloster Huysburg bei Halberstadt und hielt sich für einige Tage dort auf. Hierher ist er im Laufe der Jahre immer wieder zurückgekehrt. „Für mich war das ein Stück Heimat. Hier konnte ich geistig auftanken, konnte dem DDR-Alltag entfliehen. Das war eine Welt, die hatte mit der DDR nichts zu tun. Da war sozusagen eine Glocke drüber. Man konnte unbefangen reden, auch was so den DDR-Staat anging.“ Nach einer Ausbildung bei der Post arbeitete Ralf dort bis zur Wende und machte anschließend eine zweite Berufsausbildung als Reiseverkehrskaufmann. Anschließend arbeitete er ein halbes Jahr im Gästehaus eines Klosters in der Schweiz, wo er im Gastpater seinen geistlichen Begleiter fand.. Dieser Kontakt ist bis heute aufrecht geblieben. Weitere drei Jahre arbeitete er in Frankreich und hat dort viele Klöster kennen gelernt. 1994 kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete dort bis zum Jahre 2000 als Touristiker. Daraufhin übersiedelte er nach Bingen am Rhein und fand einen Arbeitsplatz am Flughafen Frankfurt. „Ich wollte von Anfang an Mönch werden“. Diesem Wunsch folgte er, gab seine Arbeit im Flugzentrum auf und trat in ein deutsches Benediktinerkloster ein, das er nach 3 Jahren wieder verließ. Die Gründe kann er nicht mehr genau nennen. „Ich war damals sehr ehrgeizig. Mich hat einiges gestört und deshalb habe ich die Konsequenzen gezogen.“ Ralf zieht nach Mainz und arbeitet in der Diakonie und Caritas. Im Internet entdeckt er Marienberg und öffnet die damalige Homepage. „Die fand ich schlecht. Die hat mich nicht angesprochen. Ich habe dann auf einer anderen Seite mehrere wunderschöne Bilder von der Klosteranlage entdeckt und mich entschlossen hinzufahren.“ So kam Ralf übern Brenner und Bozen nach Mals. Dort hat ihn Pater Martin abgeholt. Vom Äußeren war er sofort begeistert. In den 14 Tagen seines Aufenthaltes hat er viel fotografiert. Er hat auch gemerkt: Auch hier vergeht Altes und Neues wird aufbrechen. Bei einem weiteren Aufenthalt „Kloster auf Zeit“ wurde ein Klostereintritt mit Abt Bruno und Prior Markus besprochen. Auch das Ordenskapitel befürwortete den Eintritt. Im September 2012 trat Ralf das Noviziat an und wurde eingekleidet. Im Februar 2014 legte er die zeitliche Profess ab und nahm den Namen Aemilian an. Seitdem ist er im Kloster hauptsächlich in der Wäscherei (für Konvent- und Gästehauswäsche sowie Kirchenwäsche) tätig. An Werktagen versieht er den Ministrantendienst und ist neben Pater Peter der zweite Sakristan. Abwechselnd wird er zu Wochendiensten wie Spüldienst, Tischdienst, Lektorendienst und anderes eingeteilt. Frater Aemilian durchlebt alle Höhen und Tiefen, die auch in der Lebensform einer Klostergemeinschaft vorkommen. „Wenn ich abwesend bin, im Urlaub oder auf Fortbildung, dann ist es immer wieder wohltuend, wenn ich nach Hause fahren kann. Ich empfinde es gerade dann, wenn ich diesen Klosterrahmen nicht habe, wie sehr ich doch vom klösterlichen Tagesablauf geprägt bin. Ich gehe auch davon aus, dass man im Kloster täglich Fortschritte macht und immer weitersucht, immer mehr von sich ablässt und mehr und mehr Christus in sein Herz hineinlässt und versucht, ihm die erste Stelle zu geben. Da der hl. Benedikt das Kloster als „Schule“ im Dienst Christi verstanden hat, ist man dort zeitlebens unterwegs zu Gott und hat nie ausgelernt.“
Andreas Waldner