Monats-Archive: März 2016

dsc_1670Dem Bischof den Zins von 200 Jahren gebracht

Am 28. Mai 2016 unternahm der Freundeskreis Marienberg ein Kulturfahrt nach Chur/Graubünden. Mit dieser Fahrt und dem Besuch beim Bischof von Chur sollte an die lange Zugehörigkeit des Vinschgaus zum Bistum Chur erinnert werden.

Mit viel Humor überbrachte der Präsident des Freundeskreises Marienberg, Andreas Folie, dem Bischof von Chur, Vitus Huonder, „den Zins von 200 Jahren“ in Form von Wein, Schüttelbrot, Speck und Käse. Mit ebensoviel Humor nahm der Churer Bischof die Geschenke entgegen. Bis vor 200 Jahren gehörte der Vinschgau bis hinunter zum rechten Passerufer zum Bistum Chur. Das Bistum ist eines der ältesten und wegen der Alpenpässe eines der mächtigsten, jedenfalls für lange Zeit bedeutendsten Bistümer des deutschen Sprachraumes.Vom 8. bis zum 19. Jahrhundert gehörte der Vinschgau bis Meran zum Bistum Chur.
1805 wurden seine österreichischen Bistumsteile (Tirol) dem Königreich Bayern einverleibt. Da die  bayerische Regierung ihr System staatlicher Kirchenhoheit, insbesondere die Reglementierung der Priesterausbildung und die Besetzung der geistlichen Stellen, auf das neu erworbene Gebiet ausweiten wollte, leistete der Churer Bischof Karl Rudolf von Buol-Schauenstein (1794–1833), der seit  März 1799 in Meran residierte, entschiedenen Widerstand. Die bayerische Regierung verweigerte ihm darauf die Ausbezahlung des Gehaltes und zitierte ihn schliesslich unter Androhung des Landesverweises nach Innsbruck. Am 26. Oktober 1807 wurde Buol-Schauenstein angesichts seines ungebrochenen Widerstandes gegen die bayerischen Eingriffe in die Kirchenfreiheit nach Graubünden deportiert. 1808 resignierte er auf die vorarlbergisch-tirolischen Gebiete (Dekanate Walgau und Vinschgau).  Papst Pius VII. (1800–1823) wies diese 1809 provisorisch Brixen zu. Mit einer päpstlichen Urkunde (Breve) vom 24. August 1814 sollten diese Gebiete wieder dem Bischof von Chur unterstellt werden, was Metternich zu verhindern wusste. Der Heilige Stuhl ordnete daher am 27. Jänner 1816 die endgültige Loslösung vom Bistum Chur an, die am 3. August 1816 vollzogen wurde. So verlor die Diözese Chur jene von altersher zu ihr gehörigen katholischen Gebiete, welche seit der Reformation die sichere finanzielle Basis gebildet hatten: die heutigen Dekanate Feldkirch, Sonnenberg und Montafon im Vorarlberg (Diözese Feldkirch), die Paznauner Pfarreien Galtür und Ischgl sowie den Vinschgau mit dem Burggrafenamt. Am 29. November 1819 trat Brixen den Unteren Vinschgau (Meran und die Pfarreien von der Passer bis zum Schnalsbach) an die Diözese Trient ab. Die Gründung und die zweimalige Verlegung des Klosters Marienberg im 12. Jahrhundert erfolgte auf dem Boden des Bistums Chur und für knapp 700 Jahre war demnach auch Marienberg dem Bistum Chur zugehörig und lange Zeit zinspflichtig. Spuren dieser Zeit tauchen in der vom Churer Bischof erbauten Churburg auf, auch in den Patrozinien (hl. Luzius) von Laatsch und von Goldrain. Der Legende nach war der Heilige Luzius, der in Chur um das Jahr 176 als Märtyrer hingerichtet wurde, der erste Bischof. Seine Gebeine werden in der Kathedrale in Chur aufbewahrt und er gilt als Patron des Bistums.
Die Idee, Chur zu besuchen, wurde vom Vorstand in einem rätoromanischen Keller in Taufers geboren. Gefolgt sind der Einladung viele Freunde Marienbergs. Sie wurden nach einer Fahrt über den Ofen- und Fluelapass nach Landquart bis nach Chur von Bischof Huonder im Rittersaal des bischöflichen Schlosses empfangen und von ihm in die Geschichte des Bistums bis zu aktuellen Problemen eingeführt. Geschichtlich vorbereitet wurde die interessierte Gruppe vom jungen, heranstrebenden und historisch beschlagenen Studenten David Fliri. Bei der Führung durch den Dom zu Chur, der Kathedrale St. Mariä Himmelfahrt, wurde neben vielem anderen auch auf die älteste erhaltene Plastik der Kathedrale verwieesen. Sie stammt wahrscheinlich aus dem Vorgängerbau, der sogenannten Tello-Kathedrale. Es sind Reliefplatten aus weißem Laaser Marmor. Sie stammen aus dem 8. Jahrhundert und gelten als Meisterwerk langobardischer Plastik. Sie zeigen Flechtwerkornamente mit Tieren (Löwen u. a.) oder Spiralranken mit Blättern und Trauben. Heute verkleiden die Platten die Mensa des Laurentius-Altars von 1545. Weil es unter den Freunden Marienbergs auch Schweiz-Pendler gibt, war die Rückfahrt mit allerhand spezifischen Anekdoten, etwa vom Schludernser Sepp Trafoier, äußerst kurzweilig. (eb)